175 Jahre Evangelische Kirche Schömberg

| Friedrich Eschwey

Mit einem Festwochenende feiert die Evangelische Kirchengemeinde das 175jährige Bestehen ihrer Kirche. In dieser Zeit hat das Gebäude seine schlichte äußere Form im Stil des Spätklassizismus kaum verändert, doch der Innenraum hat mehrere wesentliche Eingriffe erfahren. Wie ein Fels in der Brandung hat die Kirche die Stürme der Zeit überstanden, einer Zeit in der sowohl die Kirchengemeinde und die bürgerliche Gemeinde umwälzende Veränderungen erfahren haben.

Aus der Geschichte
Weit und breit sei keine Kirche zu finden, die in einem so erbärmlichen Zustand sei, wie die hiesige, hieß es seit 1800 immer wieder in den Pfarrberichten. Aber erst im Jahre 1831 lag die königliche Genehmigung vor, die baufällig und zu klein gewordene gotische Marienkirche abreisen und mit dem Bau einer neuen Kirche beginnen zu dürfen. Sie sollte etwa 1000 Personen Platz bieten. Auf dem feuchten Gelände der alten Kirche konnte nicht gebaut werden. Den Bauplatz für die neue Kirche musste die Kirchengemeinde auf eigene Rechnung für 800 Gulden vom Ochsenwirt Kusterer erwerben. Für den Neubau sollten möglichst die Materialien der alten Kirche verwendet werden. Der Staat steuerte 16.641 Gulden bei, das Kirchspiel Schömberg wurde für Fuhren und „Frohnden“ mit 4.305 Gulden belastet. Das war viel Geld für die Waldhufendörfer des Kirchspiels Schömberg.

Mit der Grundsteinlegung am 22. Mai 1832 startete der Bau, im September wurde das Dach aufgeschlagen und zum Jahresende war der Turm schon 85 „Schuh“ hoch. Aus den Berichten geht hervor, dass die Handwerker, die alle nicht aus Schömberg stammten, mit Ausnahme des Zimmermanns nicht auf ihre Kosten kamen. Genauso ging es den Schömberger Fuhrleuten. Sie alle hatten sich gegenseitig unterboten, die Teuerung war hoch in diesem Jahr und die Löhne stiegen stärker als gedacht. Endlich, am 15. September 1833 konnte die Kirche eingeweiht werde.

Eineinhalb Jahre war die Gemeinde ohne Kirche gewesen. In Schömberg wurden die Gottesdienste im Freien abgehalten, bei schlechtem Wetter in der Schulstube. So ist es nicht verwunderlich, dass, sobald die Kirche unter Dach war, sie auch schon benützt wurde. Die Konfirmation des Jahres 1833 wurde in der unfertigen Kirche abgehalten und es fand auch eine Hochzeit statt.

Die Einweihung der neuen Kirche war für das Kirchspiel ein großes Fest. Ein Festzug zog feierlich vom Rathaus zur Kirche. Die Festpredigt hielt der zuständige Dekan. Eine Taufe wurde vollzogen und eine Trauung vorgenommen. Der Festgottesdienst dauerte dann auch bis nachmittags 3 Uhr. Es war ein großes Ereignis, doch gab es auch einen Wermutstropfen im Wein, die Kirche hatte keine Orgel.

Im Jahre 1834 bekam der Orgelbauer Laukhuff von Cannstatt den Auftrag eine Orgel mit 15 Registern zu bauen. 1841 war sie fertig und konnte aufgestellt werden, die Kosten beliefen sich auf 1.742 Gulden. Sie dürfe wegen ihrer technischen Ausführung, wie in der Schönheit ihres Tones unter die vorzüglichen Orgelwerke gezählt werden, lautete das Urteil nach der Abnahme. Doch schon bald kam die Klage, dass die Orgel für die Größe der Kirche zu schwach sei. Im Jahre 1908 hatte die Gemeinde zwei neue Glocken bekommen. Sie fielen der Kriegsbewirtschaftung während des 1. Weltkrieges zum Opfer. Erst 1920/22 konnte das Geläut wieder vervollständigt werden.

Der erste restauratorische Eingriff im Kircheninneren erfolgte im Jahre 1928. Die Orgelempore wurde vergrößert, dadurch konnten darunter zwei Säle, ein Gemeindesaal und ein Konfirmandensaal, eingebaut werden. Die Ostempore wurde abgerissen, Altar und Kanzel von der Südseite an die Ostseite verlegt, die Kirchenstühle nach Osten gedreht. Die Ostwand bekam ein Freskogemälde, neue Fenster wurden eingebaut und die Kirche elektrisch beleuchtet. Das Ostportal wurde durch einen kleinen Vorbau neu gestaltet.

Die notwendige Erneuerung der Kirchenheizung war 1959 der Anlass für die Neugestaltung des Innenraumes. Die Ostwand erhielt ein neues Wandbild. Es zeigt das „Himmlische Jerusalem“. Das aus der gotischen Marienkirche stammende wertvolle Kruzifix bekam seinen Platz zwischen Altar und Wandbild. Die letzte Innenrenovierung erfolgte 2002. Kanzel und Taufbecken wurden erneuert, die Säle unter der Westempore erhielten Glaswände. Im Jahre 2006 wurde an der Ostwand eine bewegliche Leinwand angebracht und an der Südseite wurde ein barrierefreier Eingang geschaffen. Ein weithin sichtbarer Eingriff in das äußere Bild, war die Bestückung der Südseite des Kirchendachs mit einer großen Photovoltaik Anlage im Jahre 2007.

Gemeinde im Wandel

Erst im Jahr 1556 wird Schömberg evangelisch und selbständige Pfarrei mit fünf Filialorten: Oberlengenhardt, Bieselsberg, Schwarzenberg, Igelsloch und Kollbach. Das blieb so bis im Jahre 1985 Igelsloch und Oberkollbach eine selbstständige Pfarrei wurden und zum Kirchenbezirk Calw kamen. Schwarzenberg und Bieselsberg wurde 1986/87 eine selbständige Pfarrei, Oberlengenhardt blieb bei Schömberg. Damit ging eine über 400jährige Tradition zu Ende.

Mit der Entwicklung des Waldhufendorfes Schömberg zum weltbekannten Lungenkurort veränderte sich auch die Struktur der Bevölkerung. Hatte im Jahre 1833 das Kirchspiel 1.583 Einwohner, darunter 3 Katholiken, so waren 100 Jahre später 2.495 Einwohner, die Zahl der Katholischen war auf 135 gestiegen und es waren 123 Methodisten dazu gekommen. Dazu heißt es in der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum: „Sehr bedauerlich ist, daß es nach längeren Versuchen den Methodisten von Calw her gelungen ist, sich in unserem Kirchspiel festzusetzen. Es wäre besser, wir hätten in unserem Kirchspiel keine solche Zersplitterung“. Die große Zahl der Kurgäste rechtfertigte die Einrichtung eines Evangelischen Kurpfarramtes im Jahre 1955.

Gegenwart

Das kirchliche Leben in der bürgerlichen Gemeinde Schömberg ist geprägt von einem ökumenischen Miteinander. Die Lungenkurheime sind seit den 1970ziger Jahren verschwunden. Heute betreut das Kurpfarramt die Menschen in den Alten- und Pflegeheimen und den drei Kliniken Schömbergs.

Die evangelische Gemeinde Schömberg (ohne Oberlengenhardt) hat 1762 Mitglieder. Pfarrer Holger Küstermann steht ein aus elf Mitgliedern bestehender Gemeinderat zur Seite. Das Kurpfarramt wird von Pfarrer Matthias Eidt betreut.


Die Innenansicht der Kirche, wie sie sich dem heutigen Besucher präsentiert.


Auch heute prägt die Evangelische Kirche die Ortsmitte von Schömberg.


Die Photovoltaik Anlage aus dem Jahre 2007 ist die größte Veränderung im äußeren Bild der Kirche seit deren Bestehen.

Vom sittlichen Leben

In den Pfarrberichten des 19. Jahrhunderts wird immer wieder über den Verfall der Sitten berichtet und über das Verhalten der Jugend gesprochen. So heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum unter anderem:
Es wird freilich auch über Unsittlichkeit der Jugend geklagt. Viele uneheliche Kinder werden auf die ungenügende Unterbringung der Dienstboten zurückgeführt, da manchmal Knecht und Magd in einer Kammer schlafen mussten.

An anderer Stelle wird darüber berichtet, dass mit der Entwicklung der Industrie in Pforzheim die Menschen dort Arbeit und Lohn fanden. Dann heißt es:
Die Sonntagsfeier in den bisher so stillen Dörfern leidet unter dem Geist derer, die am Sonntag nichts Besseres mehr zu tun wissen, als ins Wirtshaus zu gehen und dort den nicht unbeträchtlichen Lohn liegen zu lassen. Selbst sonst christlich gesinnte Familien haben nicht immer die Kraft, der mehr und mehr um sich greifenden Zügellosigkeit der Jugend zu steuern. Besonders Bieselsberg scheint eine Zeit lang in den 80er Jahren in einem betrübenden Zustand gewesen zu sein. Es heißt (im Bericht): “das Schnapssaufen ist in furchtbarem Schwange, so dass auch diese von Natur am meisten begabte Gemeinde mehr und mehr verarmt. Auch schon Kinder bekommen Schnaps“.
Es wird (in den Berichten) als unerhört gerügt, dass die jungen Mädchen den Burschen ins Wirtshaus nachlaufen und sich von ihnen freihalten lassen. Schon Christenlehrpflichtige, kaum der Schule entlassene sind auf dem Tanzboden zu finden.